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State
of Play
Kevin MacDonalds "State of Play"
mit Russell Crowe versucht sich an der Wiederbelebung der Verschwörungstheorie-Thriller
der siebziger Jahre.
Dicklicher Mann mittleren Alters, ein
bisschen abgefuckt, wie altgediente Reporter es sind, Siebentagebart, uralter
Computer am Arbeitsplatz, Unmengen Papier um ihn herum, dazu Schichten von Post-Its
an der Wand: das ist der Journalist Cal McAffrey (Russell Crowe). Der Ort des
Geschehens: Washington DC. Die Zeitung: Washington Globe.
Der Schriftzug des Namens der Zeitung
ist an den Wänden aus Glas im Innern der Redaktion nie zu übersehen.
Mit Vorliebe lässt Regisseur Kevin McDonald Glaswände dieser Art in
den Blick der Kamera fallen, als Wände, die da sind und zugleich nicht.
Oder auch: als etwas, das eine Barriere ist trotz seiner Transparenz. Und genau
darum geht es hier auch: das Verhältnis von verstellten und ermöglichten
Blicken in politischen Hinterzimmern, in die ein Reporter eindringen will.
"State of Play" ist allerdings
vieles auf einmal und nichts davon leider richtig. Was er, neben seinem Hauptberuf
als Verschwörungs-Thriller, auch ist, und es ist dann doch fast der interessanteste
Aspekt: Der erste Hollywood-Film über den Umbruch der Medienwelt. Neben
dem Reporter-Urgestein McAffrey gibt es nämlich die erfolgreiche, notorisch
stiftlose junge Bloggerin des Washington Globe, Della Frye (Rachel McAdams).
Zu Beginn des Films rasseln, in den beiden
verkörpert, Erfahrung und Ungestüm aneinander. In der Folge aber verbünden
sich der Investigativjournalist und die auf Schnelligkeit programmierte Internet-Frau
- und zwar ausgerechnet gegen die Chefredakteurin, die Helen Mirren spielt.
Die Zeitung wurde nämlich gerade aufgekauft und die neuen Eigner machen
Auflagen- und Einsparungs-Druck.
Hinaus läuft der Film, nach Auflösung
seines Themen-, Genre- und Plotdurcheinanders, auf einen Abspann, der Hymne
und Abgesang zugleich ist. Er zeigt, nach einem Knopfdruck der Bloggerin, die
Produktion der Zeitung von morgen mit den Mitteln von gestern. Mit liebevollem
Blick zeigt die Kamera den Fertigungsvorgang: Belichtung der Vorlagen, Druckmaschinen,
vertikal durch die Halle rasende Laufbänder mit dem fertigen Produkt. Im
Zeitalter des Virtuellen lässt sich das Werk der Maschinen filmen, als
wäre alles daran vergleichsweise handgemacht. Kann man sympathisch finden,
nur dass auch dieser Abspann letztlich so nostalgisch ist wie der ganze Film.
Der nämlich sehnt sich nach den Siebziger Jahren und damit auch nach einer
Zeit, in der Verschwörungstheorie-Holzschnitte seiner Machart en vogue
waren.
Alles beginnt hier so: Eine Frau stirbt,
ein Mann weint. Der Mann, der öffentlich weint, ist der Politiker Stephen
Collins (regungslos noch, wenn er weint: Ben Affleck). Die Frau, die unter die
Räder der U-Bahn kam, war seine Mitarbeiterin und Geliebte. Collins steht
in der Öffentlichkeit als Vorsitzender eines Ausschusses, der gegen ein
großes Rüstungsunternehmen ermittelt. Das steht im Verdacht, Aufträge
zu kaufen und im politischen Hintergrund Kriegstreiber zu sein. PointCorp heißt
die Firma und Blackwater ist als real existierender Skandal sichtlich das Vorbild.
McAffrey und seine rasch investigativtechnisch
aufgerüstete Blogger-Kollegin ermitteln nun, in eher friedlicher Kooperation
mit der Polizei, gegen PointCorp, in der Hoffnung auf die ganz große Story.
In den Schnittpunkt von Medien, Politik und Recht stellt der Film das Private.
McAffrey und Collins nämlich sind Freunde und es steht die betrogene Ehefrau
von Stephen Collins (gespielt von Robin Wright Penn) zwischen ihnen. Sie steht
in Wahrheit aber ohne ersichtlichen Grund in den größeren Zusammenhängen
des Plots herum.
Und wird so, sehr unfreiwillig, zum Symbol
für die Schwerfälligkeit des ganzen Films, dem nur eines gelingt:
das Vermeiden von Subtilitäten jedweder Art. Er beruht auf einer britischen
Miniserie und verdichtet deren Komplexitäten weniger, als dass er sich
auf Klischees verlässt. Das ist der Tod eines jeden Genre-Films und leider
wird "State of Play" in der Tat nie lebendig. Er gibt sich viel Mühe,
reiht Twist an Twist, schickt seinen Helden in Tiefgaragen und Lebensgefahr.
Er wackelt handkameraesk mit ihm durchs Dunkle, er blickt in Ausnutzung spektakulärer
Architektur auch mal sehr schräg von oben. Was alles nur dazu führt,
dass man seine Mittel der Undurchschaubarkeitsproduktion immerzu, eben: durchschaut.
Und deshalb leider die ganze Zeit ausgesprochen ungerührt bleibt.
Ekkehard Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen am 17.6.2009 im: www.perlentaucher.de
State
of Play - Stand der Dinge
USA
2009 - Originaltitel: State of Play - Regie: Kevin Macdonald - Darsteller: Russell
Crowe,
Ben Affleck, Rachel McAdams, Robin Wright Penn, Helen Mirren, Jason Bateman
- Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 127 min. - Start:
18.6.2009
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