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Steve Jobs
Beim Reden und Gehen entzaubert
Schlecht programmiert ist nur der Mann selbst: Der Spielfilm „Steve Jobs“ zeigt die menschlichen Defizite des Apple-Gründers.
Produktdesign ist bei Apple Maß aller Dinge. Steve Jobs’ Markenzeichen
war hingegen die Performance. In beiden Fällen geht es um Vermittlung.
Das Design stellt eine emotionale Bindung zwischen Produkt und Verbraucher her,
Jobs’ legendäre Keynotes, die von der Apple-Community wie Messen zelebriert
wurden, verwandelten die Verbraucher in eine Art moderne Glaubensgemeinschaft.
Sie sollten das Versprechen von Zugehörigkeit einlösen. Ein Film über
Steve Jobs muss für dieses Problem der Vermittlung eine Lösung anbieten,
die weder dem Produkt- noch dem Personenkult aufsitzt und gleichzeitig plausibel
erklärt, wie ein Mensch, der seine Produkte als soziale Werkzeuge verstand,
privat ein egomanisches Arschloch sein konnte, das seine Mitarbeiter vor dem
versammelten Team erniedrigt und jahrelang die Vaterschaft für die leibliche
Tochter bestreitet.
Drehbuchautor Aaron Sorkin ist das vor fünf Jahren bereits mit Mark Zuckerberg
halbwegs gelungen. „Du bist kein Arschloch, Mark“, sagt am Ende von Davind Finchers
„The Social
Network“ eine Anwältin zum Facebook-Erfinder.
„Du versuchst nur zu verbissen, eins zu sein.“ Womit auch die Quintessenz von
Danny Boyles Biopic „Steve Jobs“ umschrieben wäre.
Mustergültig ist „Steve Jobs“ – mehr noch als Finchers Facebook-Film
– in der Vermittlung einer hochgradig ambivalenten Biografie. Für das „Design“
ist wieder Sorkin zuständig, dem seine neue Chronistenrolle im aktuellen
digitalen Paradigmenwechsel zu gefallen scheint. Auch „Steve Jobs“ wirft letztlich
die Frage auf, was die Persönlichkeitsstruktur von Internetpionieren wie
Zuckerberg oder Jobs über die Prägung unseres digitalen Lifestyles
verraten. Sorkins Drehbuch ist so formvollendet und luftdicht, dass selbst ein
zum visuellen Exzess neigender Regisseur wie Boyle keine andere Wahl hat, als
innerhalb der strengen Vorgabe des Skripts seinen hyperbolischen Stil herunterzufahren.
Drei Stationen reichen Sorkin, um ein wenig schmeichelhaftes Persönlichkeitsprofil
von Jobs zu erstellen. An diesen Punkten kommen Design und Performance auch
auf kongeniale Weise zur Deckung, denn „Steve Jobs“ dreht sich um drei Produktpräsentationen
(auf 16 mm, 35 mm und in 4K gefilmt, was jeder Ära einen charakteristischen
Look verleiht). Woran sonst sollte man Jobs, der sich in seinen Produkten verewigen
wollte, messen, wenn nicht am eigenen Werk? „The Man in the Machine“, so lautet
auch der Titel einer aktuellen Jobs-Dokumentation von Alex Gibney.
Unlautere Motive
Drei Situationen also, drei einschneidende Ereignisse. 1984 die Präsentation
des ersten Macintosh-Computers, wenige Tage nach der landesweiten Fernsehpremiere
des berühmten Ridley-Scott-Werbespots „1984“. 1988 stellt Jobs, inzwischen
vom Vorstand seiner eigenen Firma als CEO gefeuert, die Workstation NeXTcube
vor, mit der er den Geschäften von Apple empfindlichen Schaden zufügen
will. Sorkin spekuliert noch über andere unlautere Motive, für die
es aber keine Quellen gibt. 1998 schließlich ist Jobs zu Apple zurückgekehrt
und steht kurz vor der wegweisenden Präsentation des iMac. Der Rest ist
bekannt: Dass iPod und iPhone kurz darauf auch Musikkonsum und mobile Kommunikation
nachhaltig verändern werden, schwingt in „Steve Jobs“ nur als Prophezeiung
mit – am deutlichsten in einem Interview mit dem Science-Fiction-Autor Arthur
C. Clarke aus den 60er Jahren. Gerade solche Auslassungen und Verdichtungen
erweisen sich als Sorkins Stärke. Selbst in den Schlüsselmomenten
interessieren ihn die Produkte und deren Präsentation nur am Rande. Die
Charakterstudie ist bestimmt von der Steve-Jobs-Performance, und hier haben
Sorkin und Boyle in Michael Fassbender, unterstützt von einem erstklassigen
Ensemble mit Kate Winslet, Seth Rogen, Jeff Daniels und Michael Stuhlbarg, eine
treibende, immer wieder auch sagenhaft kontrollierte Kraft gefunden.
Dialog und Aktion
Fassbender hat den Rhythmus von Sorkins Drehbuch vollkommen verinnerlicht. Anders
als Ashton Kutcher im 2013er Biopic „Jobs“ geht es ihm nicht um äußerliche
Mimikry, sondern um ein Verhältnis von Dialog und Aktion. Hier läuft
auch Danny Boyle zu großer Form auf, der Sorkins markanten Walk-and-talk-Routinen,
die flüssig wie Plansequenzen anmuten, eine atemlose Dynamik verleiht.
„Steve Jobs“ hat nichts mehr mit dem virtuosen Sprechtheater von Sorkins präsidialer
White-House-Soap „West Wing“ zu tun – vielmehr scheint es, als würden seine
angespitzten Dialoge die Räume vermessen, die Boyle mit seiner unermüdlichen
Kamera erschließt. Steve Jobs wird gewissermaßen beim Reden und
Gehen durch die Kulissen seiner Selbstinszenierung entzaubert. Das ist nicht
zuletzt eine logistische Meisterleistung, die dabei so leichthändig aussieht.
Die klassische Drei-Akt-Struktur besitzt auch eine psychologische Dimension, die „Steve Jobs“ als Running Gag miterzählt. Unmittelbar vor seinen Präsentationen wird Jobs in Streitgespräche – mit seinem ehemaligen Geschäftspartner Steve Wozniak (Rogen), seiner Assistentin Joanna Hoffman (Winslet), seiner Tochter – verwickelt, in denen seine eklatanten menschlichen Defizite deutlich werden. Das „Soziale“ ist für Jobs nur ein Konzept, sein persönliches Fazit niederschmetternd. „Ich bin schlecht programmiert“, gesteht der Entwickler am Ende seiner erwachsenen Tochter. In der Logik des Dramas fungiert dieser Satz als Läuterung. Für die Marke Apple aber bedeutet die Erkenntnis letztlich: Der Fehler ist systemimmanent.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen in der taz
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Steve Jobs
USA 2015 - 122 Min. - Kinostart(D): 12.11.2015 - FSK: ab 6 Jahre - Regie: Danny
Boyle - Drehbuch: Aaron Sorkin, Walter Isaacson - Produktion: Bernard Bellew,
Guymon Casady, Christian Colson, Mark Gordon, Scott Rudin - Kamera: Alwin H.
Kuchler - Schnitt: Elliot Graham - Musik: Daniel Pemberton - Darsteller: Luis
Salazar, Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Sarah Snook, Jeff Daniels,
Katherine Waterston, Michael Stuhlbarg, John Ortiz, Vanessa Ross, Adam Shapiro,
Perla Haney-Jardine, Jackie Dallas, Makenzie Moss, Steven Wiig - Verleih: Universal
Pictures Germany
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