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Susana
Dieser frühe Film aus Buñuels
mexikanischer Zeit erreicht zwar nicht seine großen Werke, doch ist er
ein gelungenes Beispiel für Buñuels Kunst, auf zwei Ebenen zu inszenieren.
Susana (Rosita Quintana) ist eine junge
Frau, die in einer stürmischen Gewitternacht aus einer Besserungsanstalt
flieht und auf der Hazienda von Don Guadalupe aufgenommen wird. Dessen Familie
ist ein Muster an Tugend und Liebenswürdigkeit. An der Seite des jovialen
und gutmütigen Don Guadalupe (Fernando Soler) stehen seine warmherzige
Frau Doña Carmen (Matilde Palou) und der Sohn Alberto (Luis López
Somoza), ein eifriger und braver Student. Das Bild wird vervollständigt
vom treuen Vorarbeiter Jesus (Víctor Manuel Mendoza). Susana, die bewusst
dämonisiert wird, zerstört dieses Idyll. „Carne y demonio“, „Fleisch
und Dämon“ lautet der Untertitel im Original, „Tochter des Lasters“ lautet
die abgeschwächte deutsche Fassung. Dieser Untertitel ist reine Ironie,
denn Susana ist die fleischgewordene sexuelle Versuchung und sie geizt nicht
mit ihren Reizen, nackte Beine und Schultern setzt sie bewusst ein.
Doch was kann man Susana objektiv vorwerfen?
Dass sie gut aussieht und allen Männern den Kopf verdreht? Die gutmütige
Doña Carmen nimmt das arme Mädchen auf und gibt ihr
Arbeit als Magd. Aber bei ihrem ersten Auftritt im Hof wird sie sofort von allen
männlichen Knechten befingert, bis schließlich Jesus eingreift, doch
nicht um sie zu schützen, sondern nur um sie nun seinerseits zu bedrängen.
Etwas weniger direkt und nach etwas längerer Schamfrist fangen auch Don
Guadalupe und sein Sohn Alberto an, Susana nachzusteigen. Als Don Guadalupe
nach dem Anblick Susanas seine Frau leidenschaftlich küssen will, wehrt
diese ihn ab, als tue er etwas Ungehöriges. Die angeblich so besonnenen
Männer, der Student, der Familienvater und der Vorarbeiter, entpuppen sich
beim geringsten Reiz als hormongesteuerte Machos. Jesus wird gefeuert, und Vater
und Sohn geraten in Feindschaft. Und die arme Doña Carmen? Sobald sie
erkennt, welchen Reiz Susana auf ihre Männer ausübt, will sie das
Mädchen verjagen. Doch es ist zu spät. Don Guadalupe setzt sich für
sie ein und will ihretwegen sogar seine Frau verlassen. Die gutmütige Doña
Carmen wird zur Furie, die Susana mit der Peitsche misshandelt, angefeuert von
ihrer intriganten Haushälterin. Auch dieser Exzess ist unschwer als Folge
sexueller Verdrängung erkennbar.
Doch alles wird gut. Jesus, den Susana
nicht heiraten will, zeigt sie aus Rache an und die Polizei zerrt die kreischende
Susana an den Haaren aus dem Haus. Der Dämon ist entfernt und am nächsten
Tag ist die gute alte Ordnung wieder hergestellt. Die Sonne scheint, Vater und
Sohn sind versöhnt, Doña Carmen verzeiht gnädig ihrem Don Guadalupe
und Jesus wird wieder eingestellt. Damit nicht genug ist an diesem Morgen auch
das Lieblingspferd des Dons wieder gesund. Eine Idylle des Lächelns, die
zum Grausen ist. Buñuel kritisierte sich selber im Nachhinein, dieses
Ende nicht satirisch genug überhöht zu haben. Doch diese Sorge ist
unbegründet. Jemandem, der diesen Schluss nicht als Satire erkennt, ist
nicht zu helfen.
„Susana“ ist eine unterhaltsame Spitze
gegen den selbstgefälligen Machismo, nicht nur in Mexiko. Seine Wirkung
bezieht der Film gerade daraus, dass er komplett die Perspektive der bigotten
Bürger einnimmt und sie sich selbst bloß stellen lässt.
Siegfried König
Susana
Mexiko
1951, Regie: Luis Buñuel, Buch: Luis Buñuel und Jaime Salvador,
Musik: Raul Lavista, Kamera: Jose Ortiz Ramos, mit Fernando Soler, Rosita Quintana,
Víctor Manuel Mendoza, Matilde Palou, María Gentil Arcos, Luis
López Somoza
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