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Tödliches
Kommando
Zum
Helden regrediert
In atemberaubender Konzentration zeigt
Kathryn Bigelows "Tödliches Kommando" den Irak als Zone, in der
Männer nach der Lebensgefahr süchtig werden.
"Tödliches Kommando" nimmt
keinen Anlauf, sondern versetzt sich, seine Protagonisten und die Zuschauer
unversehens nach Bagdad. Sonne, eine breite Straße mit wenigen Menschen,
hier und da einer am Rand, auf der Straße ein verdächtiger Gegenstand.
Diesem nähert sich das Bombenentschärfungs-Team der US-Armee. Ein
Mann wird in der Hitze in einen Schutzanzug gesteckt, dem man ansieht, dass
er im Zweifel nicht hilft, sondern eher etwas wie ein Symbol ist für die
Bewegung in feindlicher und lebensgefährlicher Umgebung: ein Mann auf dem
Mond. Er macht kleine Schritte, nicht für die Menschheit, sondern für
George W. Bush.
Diesen Kontext jedoch, Gründe des
Krieges, seine politischen Implikationen, seine Auswirkungen in der Heimat und
an anderen Orten, blendet Kathryn Bigelows Film konsequent aus. Er will nur
zeigen, was es heißt, im Feindesland vor Ort zu sein. Und noch den Feind
und seinen Blick auf die US-Invasoren, blendet "Tödliches Kommando"
recht weitgehend aus. So weit jedenfalls, dass nur jene eine Perspektive bleibt,
die die Soldaten betrifft: Man sieht die Hand, die zum Handy greift, um durchs
Eintippen eines Codes die Bombe in die Luft gehen zu lassen. Man sieht den Mann,
der vom Balkon auf die Straße blickt, wo er offenkundig die Bombe gelegt
hat. Man sieht Menschen auf Balkonen, die einander Zeichen geben, die man zwar
nicht versteht, die aber kaum etwas Gutes verheißen. Alles ist für
die Männer, von denen "Tödliches Kommando" erzählt,
Drohung. Die ganze Welt im Irak ist potenziell Hinterhalt. Jeder Kontakt mit
den Bewohnern des Landes kann der letzte sein. Vertrauen an falscher Stelle
ist tödlich. Und es gibt fast ausschließlich falsche Stellen.
Spezifisch für den Irakkrieg, bzw.
dessen frühe Phase, ist der Film trotz der massiven Ausblendungen, die
er vornimmt, in dieser Hinsicht: Die Männer, die George W. Bush als Befreier
ins Land geschickt hat, werden von dessen Bewohnern gehasst. Und sie stellen
sich darauf ein. Sie verschanzen sich im eigenen Lager, das eine Festung ist.
Wie scharf die Eingänge als Schleusenpunkte befestigt sind, muss Staff
Sergeant William James (Jeremy Renner), der Held des Films, am eigenen Leib
erleben. Ein einziges Mal geht er auf eigene Faust hinaus in die Stadt. Ein
einziges Mal folgt er einer Sympathie, die einem Einheimischen gilt. Mit niederschmetterndem
Ergebnis. Er flieht zurück in den Schutzraum, in dem es zwar Konflikte
zwischen Kameraden gibt. Innen aber weiß man, wo die Linien verlaufen.
Außen ist Kommunikation selbst als Auseinandersetzung so gut wie unmöglich.
"Tödliches Kommando" ist
ein Film über Zonen. Da ist das US-Lager als Raum des Vertrauens und gleichzeitig
der Regression. Hier stellt man die Gefahren, die man gemeistert hat, in einer
Kiste unter sein Bett. Unter den Zündern, die James da gesammelt hat, findet
sich auch sein Ehering: Dieser Mann, der mit viel Bravado 877 Bomben entschärft
hat, ist zu menschlich-alltäglichen Beziehungen nicht in der Lage. Zum
Innen des Krieges gibt es für ihn nirgends ein Außen. Er ist einer,
der nicht bei Frau und Kind, sondern nur in selbst gewählter Lebensgefahr
sein Zuhause hat. Diesen einen Ausfallschritt ins Psychologische unternehmen
Bigelow und ihr Drehbuchautor Mark Boal. Dessen Buch beruht auf Erfahrungen,
die er als embedded journalist im Irak machte. Der Film lässt,
nur konsequent, sehen, was man ihn sehen ließ: in radikal beschränkter
Perspektive.
Und die Meister-Action-Regisseurin Kathryn
Bigelow setzt mit immensem handwerklichen
Können die Beschränkung um in atemnehmende Konzentration. Der Film
ist eine im Countdown heruntergezählte Kette bedrohlicher Situationen,
mit kurzen zwischenmenschlichen Intermezzi, die die Handelnden knapp, aber so
präzise konturieren, dass sie uns als Sympathieträger mit in die Lebensgefahr
ziehen. Bigelow verweigert das Bombardement des Zuschauers mit hoch fragmentierten
Bildern und sourround-getuneten Tönen, wie man es aus dem zeitgenössischen
Blockbuster-Kino kennt. Klar entwirft sie ihre Bedrohungsräume. Gekonnt
gesetzt ist jeder einzelne Blickwechsel und Schnitt. Die Perspektive wechselt
fluide, aber niemals beliebig. Die Blicke der Kamera tasten einen Raum ab, dem
in der Intensität dieses Abtastens Atmosphäre erwächst. Rasche
Schnitte, die Handkamera, der gelegentliche Umschnitt auf die Subjektive mit
dem Atem im Schutzanzug als Begleitgeräusch: all das suggeriert sehr filigran
die Omnipräsenz von Ungewissheit. (Er herrscht in diesem Film ein atemberaubender
Mangel an Plumpheit.)
In der Bewährung unter Lebensgefahr
werden, andererseits, die Soldaten zu Helden. Das ist unvermeidlich und darauf
will das Buch auch hinaus. Es bleibt aber bei der Heldenverehrung nicht stehen,
sondern diagnostiziert die Lust an der existenziellen Situation als potenziell
pathologisch. "Der Krieg ist eine Droge" lautet - als Zitat des Journalisten
Chris Hedges - das Motto des Films. Was das heißen kann, führt "Tödliches
Kommando" an seiner Hauptfigur Will James exemplarisch vor: Seine Welt
kennt kein Außen, keine Rückkehr ins Alltägliche mehr. Er ist
zum Helden, der weniger todesmutig als tollkühn in der Zone des Todes hoch
effektiv operiert - nicht etwa geboren, sondern rettungslos regrediert.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen am 12.08.2009 in: www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Tödliches
Kommando
USA
2008 - Originaltitel: The Hurt Locker - Regie: Kathryn Bigelow - Darsteller:
Jeremy Renner, Anthony Mackie, Brian Geraghty, Guy Pearce, Ralph Fiennes, David
Morse, Christian Camargo, Suhail Aldabbach - FSK: ab 16 - Länge: 124 min.
- Start: 13.8.2009
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