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Venus im Pelz
Am straffen Zügel
Man kann sich fragen, warum man sich diesem Budenzauber aussetzen sollte. Denn Polanski fühlt sich bei „Venus im Pelz“ zu wohl in seinem Stoff.
Nachdem er zuletzt in „Der Gott des Gemetzels“
zwei Ehepaare knapp eineinhalb Stunden lang in einem einzigen Zimmer aufeinander
gehetzt hat, versucht sich Roman Polanski nun an einer nochmaligen Reduktion:
Wieder nur ein Raum, diesmal sogar nur zwei Figuren, ein Mann und eine Frau;
der ganze Film, nach einer einleitenden, eleganten Kamerafahrt durch ein regnerisches
Paris, ein fast kontinuierliches Gespräch fast in Echtzeit.
Als Vorlage dient diesmal Leopold von Sacher-Masochs seinerzeit skandaltaugliche
Roman „Venus im Pelz“, allerdings gefiltert und entschärft durch ein Boulevardtheaterstück
von David Ives. Ives und Polanski ziehen eine reflexive Ebene in den Stoff ein:
Der Theaterregisseur Thomas (Mathieu Amalric) wird nach einem anstrengenden
Castingtag just in dem Moment, in dem er sich auf den Heimweg machen will, von
einer Schauspielerin gestellt, die unbedingt noch für die Hauptrolle einer
geplanten Bühnenbearbeitung des Sacher-Masoch-Romans vorsprechen will.
Missmutig lässt er sich darauf ein und überlässt Vanda (Polanskis
Ehefrau Emmanuelle Seigner) die ansonsten menschenleere Bühne. Die ist
schnell unzufrieden mit seiner herablassenden Art und macht sich daran, die
scheinbar felsenfest vorgeprägten hierarchischen Verhältnisse neu
zu ordnen. Im Verlauf des folgenden, sexuell aufgeladenen Machtspiels gerät
außerdem die Hierarchie zwischen Primärtext und Sekundärtext,
zwischen Sacher-Masochs obsessiver Ausbreitung erotischer Abhängigkeiten
und Ives’ ironischen Kommentaren dazu, aus der Balance.
Bauernschwankmäßig aufspielende Seigner
Zwei dankbare Rollen sind das in jedem Fall, schon, weil sie auf den schauspielerischen
Exzess abzielen: Der immer wieder in nervöses Zittern ausbrechende Amalric
und die vulgär, fast bauernschwankmäßig aufspielende Seigner
haben ihren Spaß an der mit sicherer Hand inszenierten Fingerübung
in Sachen Figurendekonstruktion. Das sei ihnen gegönnt; man darf sich gleichwohl
fragen, warum man sich als Außenstehender 96 Minuten lang diesem Budenzauber
aussetzen sollte, der sein Konstruktionsprinzip nach 20 Minuten hinreichend
offengelegt hat. Das Problem ist nicht, dass Polanski das Kammerspiel als Form
nicht liegen würde; im Gegenteil, einige seiner besten Filme bestechen durch
klaustrophobische Reduktionen: die angespannte Psychodynamik während der
Segelpartie in „Das Messer im Wasser“, die
beengende Einsamkeit mit den eigenen Dämonen, die in „Ekel“ Catherine
Deneuve in den Wahnsinn treibt. Das Problem an „Venus im Pelz“ ist eher, dass
sich der Regisseur zu wohl zu fühlen scheint in seinem Stoff; dass er sich,
wie schon zuvor bei „Der Gott des Gemetzels“, darauf beschränkt, ein von
Anfang an abgekartetes Spiel bis zum bitteren Ende durchzuexerzieren; dass weder
die Regie noch irgendeiner der Beteiligten versucht, aus der selbst gewählten
Isolation zu entkommen.
Im Vorgänger lief das auf die westentaschenzynische Pointe hinaus, dass vermeintlich kultivierte Mittelklassemenschen sich schon einmal gegenseitig an die Gurgel gehen können, wenn sie vom Drehbuch genügend getriezt werden; „Venus im Pelz“ landet stattdessen bei der westentaschenfeministischen Erkenntnis, dass Frau im Kampf der Geschlechter zumindest dann die Oberhand behalten kann, wenn der gütige Regisseur und Drehbuchautor ihr vorher ein paar Trümpfe zuspielt. Der aber denkt seinerseits gar nicht daran, auch nur für einen einzigen Moment die Zügel aus der Hand zu geben.
Lukas Foerster
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: taz
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Venus im Pelz
OT: La Vénus à la fourrure
Frankreich 2013 - 96 min.
Regie: Roman Polanski - Drehbuch: David Ives, Roman Polanski - Produktion: Robert
Benmussa, Alain Sarde - Kamera: Pawel Edelman - Schnitt: Hervé de Luze,
Margot Meynier - Musik: Alexander Desplat - Verleih: Prokino - FSK: ab 16 Jahren
- Besetzung: Emmanuelle Seigner, Mathieu Amalric
Kinostart (D): 21.11.2013
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