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Wasser
und Seife
Nach dem Schleudergang ist vor dem Einweichen.
Automatisch rieselt schon die nächste Ladung Vollwaschmittel in die Trommel,
während die Arbeiterinnen nebenan Handtücher, Ärztekittel und
Freizeithemden zusammenlegen oder sich über Kunden ärgern, die Papiertaschentücher
in ihren Hosen vergessen haben: ein normaler Morgen in einer Hamburger Wäscherei.
Wenn zum Vorspann von Susan Gluths Dokumentarfilm – der einiges mit Hans Christian
Schmids demnächst anlaufender Doku „Die wunderbare Welt der Waschkraft“
gemein hat – der Wasserdampf aus einem Ventil am Dach des Kleinunternehmens
schießt, spürt man schon, dass drinnen unter Hochdruck geschuftet
wird. Affenhitze, angesengte Hände, Rückenweh und barsche Sprüche
gehören zum Alltag dreier Frauen, in deren Arbeit und Freizeit „Wasser
und Seife“ interessante Einblicke gewährt. Gluths schöner kleiner
Film lebt von diesem wassermühlenartig sich wiederholenden Wechselspiel
von Bügeln und Spazierengehen, doch die Bewegung, die sich aus winzigen
Drehmomenten, Geschichtenfragmenten und Satzfetzen zusammenfügt, geht auch
in die Tiefe, wie eine Spirale. Mehr und mehr zeichnen sich Schicksale, unerfüllte
Wünsche, kleine Fleckenränder auf dem Lebensmuster der drei porträtierten,
nicht mehr ganz jungen Frauen ab, ohne dass die würdevollen Wäscherinnen
jemals ihren grundsätzlichen Optimismus über Bord zu werfen bereit
sind.
Monika steht kurz vor der Rente. Seit
20 Jahren arbeitet sie im Betrieb auf der anderen Seite der Elbe, zu dem sie
mit Bus und Bahn täglich anderthalb Stunden hin und wieder zurück
fährt. Vor Jahren ist sie vor ihrem trunksüchtigen Ehemann fortgelaufen
und hat nach der Scheidung auch ihre vier Kinder nicht wiedergesehen. Das Gekreisch
von Wellensittichen erfüllt Monikas Zweizimmerwohnung, liebevoll umsorgt
sie ihren herzkranken Terrier Bonnie, der zum zwölften Geburtstag ein neues
Halsband und Schweinebraten bekommt. Auch Gerda lebt seit der Trennung von ihrem
Mann allein, der sie zwei Jahre lang unbemerkt mit einer anderen betrog. Ein
altes Paarbild hängt trotzdem über ihrem Sofa. In ihrem Leben „war
nix Schönes“, sagt Gerda, außer „wie ich Nicole gekriegt hab’“; stolz
sei sie mit ihrem dicken Bauch in die U-Bahn gestiegen, damit jeder ihr Mutterglück
sehen konnte. Manchmal fühlt sie sich bei der Arbeit wie im Gefängnis,
so „abgeschnitten von allem; aber das ändert sich ja jetzt“. Der Betrieb
wird umgebaut. Günther, der Chef, hockt schon über den Plänen.
Wenn die alten Rohre platzen, macht sich in der Wäscherei die schlechte
Laune breit.
Tatjana, die jüngste, mit einem Konditor
verheiratete Kollegin, müht sich in den engen Gängen beim Zusammenlegen
der großen Tischtücher ab. „Tischwäsche musst Du lernen“, habe
die erfahrene Gerda am Anfang zur Endvierzigerin gesagt, „vor allem, wenn ich
nicht mehr da bin“. Beim Abholen einer Tischdecke bemerkt eine Kundin halb scherzhaft,
für den Preis der Reinigung hätte sie sich gleich eine neue Decke
kaufen können. Berichtet der Chef dann noch von den Wäschereikonkurrenten,
die sich gegenseitig bis an den Rand der Ineffizienz unterbieten, begreift man
den Druck, dem der Mittelstand heute ausgesetzt ist. Man glaubt Günther
aufs Wort, dass für seine Mitarbeiterinnen kein Cent mehr Stundenlohn herausspringt,
und man bewundert die Frauen, die ihre Arbeit trotz aller Mühen nicht missen
wollen und einmal die Woche unverdrossen ihren Lottoschein ausfüllen.
Jens Hinrichsen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: film-Dienst
Wasser
und Seife
Deutschland 2008 - Regie: Susan Gluth - Mitwirkende Monika Schückher, Tatjana Beth, Gerda Franzen, Günther Utecht - Start: 30.04.2009
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