zur startseite
zum archiv
zu den essays
Weitertanzen
Eine
Hochzeit und leider kein Todesfall. Mal wünscht man ihn der Braut, die
sich nicht traut, mal wandern die Mordfantasien Richtung Bräutigam, der
ihr nicht glaubt. Und das, obwohl sie quantitative Fragen stellt von der Art:
„Wie sehr liebst Du mich?“, oder: „Wie sicher bist Du dir, dass Du mich liebst?“
Dabei muss sie doch gar nicht viel tun, um die Falle nicht zuschnappen zu lassen.
Es reicht völlig, wenn sie in ihrem Hochzeitskleid und Motorradhelm nur
da steht: eine junge Frau mit langen blonden Haaren und einem gequälten
Ausdruck im Gesicht, der bei Männern den Rückwärtsgang auslöst.
Dass sie sich festlegen soll, macht sie wahlweise ängstlich oder wütend,
zumal der desertierte Ex-Freund in Gestalt des chronisch als Rebell besetzten
Stipe Erceg zum Fest im angemieteten Luxushotel auftaucht und sich über
ihre Illusionen lustig macht. Sie passe nicht zu diesem reichen Erfolgstypen
mit seinen Tennisclub-Freunden, Statussymbolen und einem durchgeplanten Alltag.
Sie sei doch in Wirklichkeit eine wilde Lebenskünstlerin, die ihre Freiheit
braucht, jammert er.
Als
müsste der Film Beweise für seine Theorie liefern, entgleist das Geschehen
zunehmend ins Surreale, bis man David Lynch hinter jedem Vorhang vermutet. Die
Farbpalette wechselt signalträchtig von rosarot zu grauschwarz, und auch
die Räume mutieren zu einem unüberschaubaren Gewirr von Gängen,
denen die frisch Vermählte nur mit einem Sprung in eine klaustrophobische
Rumpelkammer entkommen kann; was auch daran liegen mag, dass die Hochzeitsrituale
– vom Brautwalzer über das mehrgängige Dinner bis zur Entführung
der Braut – auch keinen Halt bieten. Das gelegentlich seine Wirkung durchaus
nicht verfehlende Ergebnis dieser aufwändig inszenierten, kammerspielartigen
Groteske ist ein mit viel Lichtspiel unterlegter Horrortrip, bei dem die schlimmsten
Vorahnungen einer gänzlich missglückten Hochzeit Wirklichkeit werden.
Die Gäste entpuppen sich als überzeichnete Fieslinge, die alles unternehmen,
um die Eheleute einander zu entfremden. Und das ganze Hin und Her nur, damit
sie am Ende trotz zertrümmerter Möbel, böser Blicke und gegenseitigem
Verrat doch zusammenbleiben. Kaum auszuhalten, wäre da nicht der Fremdkörper
Ingrid Caven als exaltierte Mutter, die erst den Ruf ihrer Tochter mit exzentrischen
Gesangseinlagen ruiniert, um sich dann rechtzeitig vor dem finalen Leerlauf
des Liebesdramas davonzumachen. Sie lässt einen Hauch von Ahnung zurück,
wie der Film hätte werden können, wenn er mutig genug gewesen wäre,
das Private hinter sich zu lassen und das Gesellschaftliche in der Tradition
etwa von „Die
Reifeprüfung“
(fd 15718) zu suchen. Das Langfilmdebüt der 1977 geborenen Friederike Jehn
begnügt sich lieber damit, den x-ten Beziehungsfilm aus der Hand einer
begabten Nachwuchsregisseurin zu liefern. Wieder einmal soll es um Bindungsängste,
Selbstzweifel und Unentschiedenheit gehen, und irgendwie drängt sich bei
dieser zwischen Ironie und angestaubter Romantik schwebenden Schauer-Komödie
der Eindruck auf, es mit einer biederen, Oppulenz heuchelnden, in den Sehgewohnheiten
verträglicheren Fernsehvariante von Maren Ades „Alle
Anderen“
(fd 39348) zu tun zu haben.
Alexandra
Wach
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: film-Dienst
Weitertanzen
Deutschland 2008 - Regie: Friederike Jehn - Darsteller: Marie-Christine Friedrich, Barnaby Metschurat, Stipe Erceg, Ingrid Caven, Annika Martens, Marija Malena, Lena Schwarz, Fabian Joest Passamonte, Eva-Maria Kurz - FSK: ab 6 - Länge: 86 min. - Start: 5.11.2009
zur startseite
zum archiv
zu den essays