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Wie
weit noch – Qué tan lejos
Tanja
Hermidas Roadmovie über zwei Frauen unterwegs nach Quenca wurde in Ecuador
zum nationalen Kinohit. Für europäische Zuschauer funktioniert er
gut als landeskundliche Einführung in lokale Merkwürdigkeiten und
Befindlichkeiten
Es
macht immer besonders neugierig, einen Film aus einem bisher fast unbekannten
Filmland zu sehen. Ecuador zum Beispiel, die 14-Millionen-Einwohner-Andenrepublik
am Pazifik, ist - zumindest aus deutscher Sicht -filmisch ein kaum beschriebenes
Blatt. WIE WEIT NOCH – QUÉ TAN LEJOS war dort 2006 der erfolgreichste
Film der ecuadorianischen Kinogeschichte überhaupt. Offensichtlich finden
die Menschen dort sich und ihr Leben in diesem Film wieder.
Das
überrascht zuerst ein wenig: Denn auch wenn die in Havanna ausgebildete
Regisseurin Tania Hermida nach eigener Aussage mit den »Konventionen des
sogenannten Dritt-Welt-Kinos brechen« und den touristischen Postkartenblick
auf ihr Land und seine Bräuche vermeiden wollte: Mit seinen vielen Minilektionen
in ecuadorianischer Landeskunde (Landschaften und Ethnien werden vorgestellt
und Streiklust, Auswanderung, Telenovela-Besessenheit und Fußballbegeisterung
in Episoden abgearbeitet) scheint Heridas Roadmovie am Ende doch nur die etwas
hintergründigere Reiseführervariante aus dem Alternativsortiment.
Dies ist ein Film, der seinen Bildungsauftrag für keine Dialogzeile vergisst.
Manchmal fühlt man sich da schon arg an die Leine genommen, bekommt aber
- durch die Inszenierung selbst wie ihre Rezeption - einen gut gegründeten
Einblick in ecuadorianische Befindlichkeiten.
Beide
Hauptfiguren sind Repräsentanten: Esperanza, die überdrehte katalanische
Reisebüroangestellte, die auf ihrer diesjährigen Jahresreise die Schönheiten
des Andenlandes mit Rollkoffer und Videokamera erkunden möchte, jeden anplappert
und Indigene einfach cool findet. Und Teresa, die sich spontan in Tristeza umbenannt
hat, in Quito studiert und Octavio Paz liest: ernsthaft, in Grundopposition
zum Leben, Gringos und Spaniern von Herzen abgeneigt. Sie ist auf dem Weg in
den Süden, um dort einen ehemaligen Geliebten an der vermeintlich erzwungenen
Heirat mit einer reichen Jugendfreundin zu hindern. Im Überlandbus nach
Quenca sitzen die beiden Frauen zufällig nebeneinander. Als der von einem
Streik mit Straßensperren auf unbestimmte Zeit gestoppt wird, will Tristeza
per Anhalter weiterreisen, die Spanierin schließt sich ihr an. Unterwegs
treffen die beiden auf Jesus, einen leicht verlotterten langhaarigen Gelegenheitsschauspieler,
der die Asche seiner Großmutter nach Quenca zum Begräbnis bringt.
Die
Reise geht genreüblich stockend voran, was nichts macht, denn die weite
Landschaft zwischen Hochebenen und Vulkanen ist in attraktiven leicht verblassten
Ansichten eingefangen. Dabei wurden für den Dreh alle für die Handlung
unwesentlichen Menschen aus Straßen und Dörfern entfernt - eine geisterhaft
melancholische Stimmung, die auch metaphorisch für die äußere
und innere Emigration vieler Ecuadorianer stehen soll. Spektakuläres geschieht
nicht. Doch wie es sich im Roadmovie gehört, kommen die Reisenden mit ihrem
Ziel auch sich selbst langsam näher. Und auch wir haben unsere Einführungslektion
gelernt und warten jetzt mit Interesse auf den nächsten Film aus Ecuador,
wo es seit kurzem eine nationale Filmförderung gibt.
Silvia
Hallensleben
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd Film 11.2009
Wie
weit noch – Qué tan lejos
QUÉ TAN LEJOS?
Ecuador 2006. R, B: Tania Hermida. P: Mary Palcios, Gervaslo Iglesias,Tania Hermia K: Armando
Salazar Sch: Iván Mora Manzano. M: Nelson Garcia. A: Pedro Cagigal. Pg: Ecuador Para Lage. V: Kairos. L: 92 Lilo. Da: Cecilia Vallejo, Tanja Martinez, Pancho Aguirre,
Fausto Miño.-
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