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Wonderful
Town
Weltkino-Wurm:
Aditya Assarats "Wonderful Town" (Forum)
Takua Pa, eine kleine Stadt im Süden
Thailands nach dem Tsunami. Die Landschaft ist wunderschön und die Bilder
des Films von der Landschaft in tableauartigen, elegischen, furchtbar geschmackvollen
Einstellungen sind es auch. Die Seelen aber der Menschen, die hier überlebt
haben, sind verwundet, wenn nicht verwüstet. 8.000 Menschen sind gestorben
und als Geister gehen sie, denkt man angesichts der katatonischen Langsamkeit,
mit der hier alles geschieht, in der schönen Landschaft und in den schönen
Bildern von der schönen Landschaft noch um.
Ein Mann aus der Stadt kommt hier an,
es ist der Architekt Ton (Supphasit Kansen). Auch er hat eine verwundete Seele,
aber das erfahren wir erst viel später. Zunächst einmal steigt er
in einem kleinen, etwas heruntergekommenen Hotel ab, das nach dem Tod ihrer
Eltern die in der Großstadt erzogene Na (Anchalee Saisoontorn) leitet.
Die beiden sind, daraus macht der Film in seinen immer noch furchtbar geschmackvollen
Einstellungen kein Geheimnis, dazu bestimmt, einander näher, ja, sogar
nahe zu kommen. Vorher steht Ton noch nackt auf dem Klo und pinkelt, während
Na vor der Tür steht und lauscht. Ton singt unter der Dusche, ohnehin zitiert
er immerzu irgendwelche Schlagerzeilen. Er war früher, in der Großstadt,
Sänger in einer Kneipe.
In "Wonderful Town", Aditya
Assarats Spielfilmdebüt, das wunderschön anzusehen ist, steckt der
Wurm. Es ist der Wurm der ausgestellten Melancholie und der Gratis-Elegie. Es
ist der Wurm einer ganz bestimmten Sorte von Fertigbau-Exquisitkomposition.
"Wonderful Town" spricht die Sprache des internationalen Weltkino-Festivalfilms:
klug komponierte, lange eher als kurze, starre eher als bewegte Einstellungen.
Liebe zur Halbdistanz, Liebe zu dem, was zwischen den Blick und die Figuren
tritt. (Wäsche an der Leine, Fenster, Zäune). Wenig wird gesprochen,
und wenn, dann recht tonlos. Viel wird geschwiegen, das aber bedeutungsvoll.
Dieses in den vertrauten Fragmenten der
Sprache der Weltkinogegenwart gefilmte Debüt ist, weil Assarat diese Sprache
von Anfang an so formvollendet spricht, Bild für Bild befallen von einem
weiteren Wurm, nämlich dem der Selbstparodie. Es muss gar nicht erst der
böse Bruder ins Spiel kommen, es muss gar nicht erst die Melancholie in
furchtbar geschmackvoll gefilmte Mordlust umschlagen. Es muss gar nicht erst
die Vorgeschichte des Architekten Ton mit der verwundeten Seele ganz schrecklich
dezent angedeutet werden. Es muss das alles gar nicht passieren, denn im Grunde
ist alles von Anfang an klar.
Nein, in diesem Film steckt der Weltkino-Wurm
und in Rotterdam, wo er gerade auch schon lief, hat die Jury das sofort erkannt
und "Wonderful Town" einen der Festival-Hauptpreise verliehen. Die
schriftliche Begründung passt dazu wie die Faust aufs Auge: Jury-Präsident
Jafar Panahi lobte Aditya Assarats "unkonventionelle Herangehensweise".
Das ist nun dermaßen falsch, dass es schon wieder richtig ist.
Ekkehard
Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen,
anlässlich der Berliner Filmfestspiele, 2008 in: www.perlentaucher.de
Wonderful
Town
Thailand
2007 - Regie: Aditya Assarat - Darsteller: Anchalee Saisoontorn, Supphasit Kansen,
Dul Yaambunying, Sorawit Poolsawat, Prateep Hanudomlap, Chatchai Sae-aong, Panumas
Sae-bae, Piyanut Pakdeechat - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 92 min. - Start:
27.11.2008
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