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World War Z
Verrat am Zombiefilm
Marc Foster ergeht sich in seinem Untoten-Blockbuster "World War Z" in biopolitisch bedenklichen Kontrollfantasien.
"World War Z", Marc Forsters Verfilmung der gleichnamigen
Romanvorlage von Mel Brooks' Sohn Max, ist - da gibt es nichts zu beschönigen
- ein Rohrkrepierer. Matt Zoller Seitz, der seit Roger Eberts Tod im April dieses
Jahres dessen Homepage betreut und mit Filmkritiken bespielt, vergleicht "World
War Z" - vielleicht in Anspielung auf das etymologische Kontinuum von rabies und
arrabiata - mit italienischer Küche, bei der man den Knoblauch weggelassen
hat. Auch mir fällt kein Zombiefilm ein, der so fade, ja steril schmeckt
wie dieser. Konsequent werden guts and
gore, wo sie überhaupt (genretypisch)
aus verwundeten Körpern ins Offene drängen dürfen, aus den Bildern
getilgt oder ins Off gebannt. Dieser Gewaltverzicht zielt jedoch nicht auf eine
Aktivierung der Fantasietätigkeit, sondern im Gegenteil auf ihre totale
Einhegung und Kontrolle: ein Film wie unter Quarantäne, der sich gegen
das Leid, das er angeblich beschwört, so gut es nur geht immunisiert.
Emblematisch für diese Antisepsis des Genres sind die vielen vogelperspektivischen
Totalen auf das entsprechend wuselnde Geschehen der Zombie-Apokalypse, aufgenommen
aus Flugzeugen, Hubschraubern oder einfach aus der Sicht des fliegenden Auges
von Marc Forster, der den Beruf des Filmregisseurs gegen den des Bevölkerungsstatistikers
eintauscht (am Filmplakat wird das besonders greifbar). In diesen Totalen, in
denen "World War Z" sich über die Gewalt erhebt und die den Film
gleichzeitig (man könnte auch sagen: kehrseitig) ganz buchstäblich
"tragen", gibt sich der biopolitisch informierte Blickpunkt der Macht
zu erkennen, den Forster uns mit aller (strukturellen, darum aber gerade nicht
sichtbaren) Gewalt aufs Auge drückt. Das ist der eigentliche, der entscheidende
Verrat am Zombiegenre: Nicht, dass den Zombies neueren Datums, anders als noch
bei George A. Romero, die Motorik von Hochleistungssportlern eignet, ist das
Problem, noch dass die einst erhabene Plage zum viralen Infekt verwissenschaftlicht
wurde (obwohl sich beide Neubestimmungen widerstandslos in das Gesamtprojekt
von "World War Z" fügen). Sondern es ist die Verschiebung der
filmischen wie politischen "Einstellung" - weg von den erratischen,
erdnahen Improvisationen der Überlebenden und hin zum souveränen,
allem Irdischen enthobenen Institutionenhandeln des von Brad Pitt gespielten
UN-Abgesandten -, worin sich das Genre selbst untreu wird.
Von schräg oben und aus einiger Distanz besehen nehmen die heranstürmenden
Untoten eine neue Gestalt an. Sie erscheinen als zusammenhängende, durch
Infektion proliferierende Masse. Das SFX-Team von "World War Z" verstärkt
diese besondere Konturierung der Zombiehorden noch, indem es sie in Wellenform
bringt. Während Peter Jackson sich damit brüstet, dass seine Schlachtentableaus
mit jedem Film noch unübersichtlicher und wimmelnder geraten, ergeht sich
Marc Forster in Kontrollfantasien von einer rhythmisch wabernden Körpermasse
im Singular, die gegen Mauern und andere Widerstände anbrandet wie Meereswellen
an die Küste (dahin also ist die Fantasie in diesem Film abgewandert).
Freilich ging es auch schon bei Romero um das Problem - und die Angst vor -
der Masse. Aber nie hätten sich seine Zombies dabei erwischen lassen, diese
Angst einfach nur vor einem immunisierten und mit der Kontrollmacht identifizierten
Zuschauer auszuagieren. Romero zieht uns hinein in die Masse, verunklart Grenzziehungen
und lässt uns die ambivalente Sehnsucht danach spüren, in ihrem konturlosen
Ganzen aufzugehen. Von nichts anderem handeln Szenen wie jene am Ende seines
klaustrophobischen Kammerspiels "Day of the Dead", worin ein Mensch
bei lebendigem Leib entzwei gerissen wird.
Oberhalb all dieser gestalterischen Entscheidungen fingiert "World War Z" Tagesaktualität und einen Eindruck - vor allem in der nebbichen Nahost-Episode - von politischer Brisanz. Dass Zombiefilme zur Allegorisierung der politischen Gegenwart taugen, das dürfte Forster dabei irgendwie vorgeschwebt haben. Nicht in der vorgelagerten Bedeutungshuberei erfüllt sich indes dieser politische Einsatz, sondern eher unter der Hand, in der beschriebenen Neu-Perspektivierung des ursprünglich dissidenten Zombie-Mythos als Mythos der Herrschenden.
Im letzten Akt begibt sich "World War Z" in eine WHO-Forschungsstation nach Cardiff in Wales. Peter Capaldi (der chief whip aus der BBC-Serie "The Thick of It") hat einen Auftritt und auch Moritz Bleibtreu. Zwei, drei Zeilen darf jeder sprechen, das war's dann auch wieder, ganz so, wie man es aus (an Förderrichtlinien orientierten) Europudding- Zweckvergemeinschaftungen gewohnt ist. Nach demselben Prinzip verfährt Forster den ganzen Film über. Zuletzt im Fernsehen verdientermaßen zu Ehren gelangte Schauspieler wie Mireille Enos (aus AMCs "The Killing", hier Brad Pitts Frau) oder David Morse (in David Simons "Treme" für HBO, hier in einer Minirolle als entrückter CIA-Agent) werden regelrecht verheizt - von einem Drehbuch, an dem entschieden zu viele Köche (darunter noch ein TV-Veteran, der "Babylon 5"-Creator J. Michael Straczynski) mitgewirkt haben. Am Ende fehlt es nicht nur an Knoblauch und Beuschel, sondern hapert an der ganzen Menüfolge.
Nikolaus Perneczky
Dieser Text ist zuerst erschienen im: www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
World War Z
USA 2013 - 116 min.
Regie: Marc Forster - Drehbuch: Matthew Michael Carnahan, Drew Goddard, Damon
Lindelof, Matthew Michael Carnahan, J. Michael Straczynski - Produktion: Ian
Bryce, Dede Gardner, Jeremy Kleiner, Brad Pitt - Kamera: Robert Richardson -
Schnitt: Roger Barton, Matt Chessé - Musik: Marco Beltrami - Verleih:
Paramount - FSK: ab 16 Jahren - Besetzung: Brad Pitt, Eric West, Mireille Enos,
Matthew Fox, James Badge Dale, David Morse, Julian Seager, Sarah Sharman, David
Andrews, Julia Levy-Boeken, Michiel Huisman, Elyes Gabel, Iván Kamarás,
Trevor White, Sterling Jerins
Kinostart (D): 27.06.2013
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