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Zombieland
Sei
kein Held!
Mit
angenehmer Lässigkeit karriolt Ruben Fleischers inspirierte Horror-Komödie
"Zombieland" durch die zeitgenössische Genrelandschaft.
Zombies
sind, neben manch anderem, ja auch einfach: Menschen, die man kaputtmachen darf;
Splatterfilm-Kanonenfutter; Wesen, die man nicht opfern kann, aber straflos
totschießen darf. Ist überdies immer Notwehr, denn der Zombie will
- seit ca. 1968, nämlich George Romeros "Nacht der lebenden Toten"
jedenfalls, begonnen hat er als recht friedlicher Scheintoter - nichts als fressen
und macht dabei noch die edelsten Vertreter der Menschheit zu seinesgleichen:
zu hirnlos durch die Gegend torkelnden Kannibalen. Es taugt der Zombie, auch
wenn es keinem von ihnen je träumte, wunderbar zur Metapher: fürs
Enthirnte am Menschen bzw. für die Drohung, am Menschen das Großhirn
zu löschen und ihn ganz und gar aufs Jagen, Fressen und Töten zu reduzieren.
(Es ist interessant, dass sich dabei, anders als bei der noblen Untoten-Verwandtschaft,
den Vampiren, zwar leicht eine politische, in der Regel aber kaum eine sexuelle
Komponente heraussymbolisieren lässt. Vampirfilme sind was für Instant-Psychoanalytiker,
Zombiefilme was für Instant-Gesellschaftskritiker. Für eine sehr unterhaltsame
Gegenüberstellung der beiden Erscheinungsformen des Untoten vgl. Sam Leiths
Artikel in
Prospect).
Lässig
schließt "Zombieland" an die in den letzten Jahrzehnten entfaltete
Zombie-Mythologie an. Mit der Reise durch ein nicht nur gott-, sondern weitgehend
auch menschenverlassenes Land etwa an "28
Days Later"
(hier die USA, nicht Großbritannien). Mit seiner Entschlossenheit, zwar
an Gore, was geht, mitzunehmen, das ganze andererseits aber nicht im strengen
Sinn zu parodieren, zugleich dennoch nicht ernster als nötig zu nehmen,
an "Shaun of the Dead" des - wiederum britischen - Trios Pegg/Frost/Wright.
Ein wahrer Horrorfilm kann das ganze von Anbeginn nicht werden, weil nämlich
sofort eine höchst souveräne Instanz installiert wird: Ein so gewitzter
wie ironischer Erzähler, dem die unterschiedlichen Register, die der Film
zieht, mühelos zur Verfügung stehen. So ist er zum einen ein veritabler
Experte fürs Leben in Zombieland, USA. Gleich zu Beginn macht er uns mit
den säuberlich durchnummerierten Regeln fürs Überleben in menschenfeindlicher
Umwelt vertraut. Regisseur Ruben Fleischer setzt, zweite souveräne Geste,
diese Regeln schriftlich ins Bild. Und zwar in einer Mischung aus Insert und
quasi-dreidimensionaler Inschrift in den Erzählraum des Films. Die Regeln
reichen vom Zombie-Spezifischen zum Lebensphilosophisch-Allgemeinen: "Töte
immer zweimal", "Schau auf dem Rücksitz nach", "Sei
kein Held", "Genieße die kleinen Dinge" etc.
Die
Erzählerstimme gehört zu einem jungen Mann (Jesse Eisenberg, demnächst
als Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in David Finchers "The Social
Network"), ein klein wenig nerdig, wohl noch Jungfrau und definitiv schlau.
In einer Rückblende sehen wir, wie sich eine gleichaltrige Schönheit
vom Objekt des Begehrens in ein blutspuckendes beißendes Zombie-Monster
verwandelt: unschön, aber nicht unerwartet. Der junge Mann hat nämlich
immer schon Pech mit den Mädchen. Versteht sich von selbst, dass sich im
Verlauf des Films da etwas tut und dass "Zombieland", wie eben auch
"Shaun
of the Dead",
zu einer RomZomCom wird, einer romantischen Zombie-Komödie. Vor der schönen
Frau taucht freilich noch der Buddie auf, den es ebenfalls braucht: als die
englische Sprache - im Original - südstaatenmäßig zerkauender
Mann mit den Schießgewehren und einer Schwäche für Leckerlis
macht Woody Harrelson mal wieder eine wunderbare Figur. Dann begegnen die beiden
auf ihrer Roadmovie-Tour der schönen jungen Frau (Emma Stone), unterwegs
im Team mit einer ebenso ausgeschlafenen Zwölfjährigen (Abigail Breslin).
Die beiden haben vor allem eine goldene Regel: "Trau keinem!"
Eine
Regel, an die sich alle erst einmal halten: Nur wer allen misstraut, ist stark.
So kennen die vier nicht einmal ihre wahren Namen, sondern nennen sich nach
den Namen der Städte, aus denen sie stammen und deren letzte überlebende
Bewohner sie jeweils mutmaßlich sind: Tallahassee (Harrelson), Columbus
(Eisenberg), Wichita (Stone) und Little Rock (Breslin). Als Zombies auf mehr
oder minder originelle Weise fällende, einander neckende-betrügende-raushauende
Zombiekiller-Roadshow-Combo splattern die vier sich durch die USA und landen
schließlich, wen wundert's, in Hollywood. Downtown wird ein herantorkelnder
Charlie Chaplin niedergeschossen, dann geht es hinauf in die Villengegend von
Beverly Hills. Dort trägt sich zu, was man eigentlich nicht verraten darf,
weil einer der Untoten, denen sie da begegnen, in Wahrheit gleich doppelt nicht
untot und außerdem ein prominenter Schauspieler in einem Cameo-Auftritt
ist. (Soviel sei verraten: Viel schönerer und überzeugenderer Einsatz
als in Jim Jarmuschs "Limits of Control".) Folgt: der Showdown im
Amusement-Park. Endet alles mit: Modifizierung der Misstrauensregel - wir sind
eine Patchwork-Familie der etwas anderen Art.
"Zombieland"
legt keinen übertriebenen Ehrgeiz an den Tag, sich zur vollgültigen
USA-Gegenwarts-Allegorie zu entfalten, aber diesen oder jenen satirischen Blick
auf zeitgenössische Shopping- und Vergnügungskultur gibt es nebenbei
doch. Überhaupt ist es die Lässigkeit, die gefällt. Der Ton,
den Buch und Regie finden. Angenehme Mittellage, ein schlauer Spaß, lehrreiche
Instruktionen zum Überleben in widriger Gegenwart.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen am 09.12.2009 in: www.perlentaucher.de
Zombieland
USA
2009 - Regie: Ruben Fleischer - Darsteller: Woody Harrelson, Jesse Eisenberg,
Emma Stone, Abigail Breslin, Bill Murray, Amber Heard, Robert Hatch, Jacob G.
Akins, Dalton Cole, Mike White, Melanie Booth, Daniel Burnley - FSK: ab 16 -
Länge: 88 min. - Start: 10.12.2009
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