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Zuhause
ist der Zauber los
Die
Finanzwelt, menschlich gesehen!
Sagen Sie nicht, Sie hätten von nichts gewusst! Sogar Eddie
Murphy, erstaunlich aus dem Tritt geratener Ex-Kassenmagnet, hat es gewusst:
Das Finanzwesen stinkt vom Kopf her! Nehmen wir nur den sehr erfolgreichen Finanzberater
Evan Danielson (Eddie Murphy), der sich zwar an der Börse auskennt, aber
dafür keine Zeit für ein verantwortungsvolles Privatleben hat. Längst
ist er von seiner sehr verbindlich und erwachsen gezeichneten Frau geschieden,
aber sein mehr als entzückendes Töchterchen Olivia (Yara Shahidi)
vernachlässigt er trotzdem. Der Beruf frisst ihn geradezu auf, zumal eine
betriebsinterne Konkurrenz ihn mit einem schier übermächtigen Gegner
konfrontiert: dem »native american« Johnny Whitefeather (Thomas
Haden Church), der das Business mit esoterischen Ticks und Tricks aufmischt.
Evan Danielson hat also an mehrere Schauplätzen gleichzeitig schier übermenschliche
Herausforderungen zu bestehen, weshalb eine tief greifende Krise vorher bestimmt
scheint. Olivia hat sich in eine Welt der Feen und Prinzessinnen zurückgezogen,
ihr Weg, sich immerhin etwas väterliche Aufmerksamkeit zu sichern. Erstaunlicherweise
verfügen die Prinzessinnen über intime Kenntnisse der Börsenwelt,
die sie sogar verraten, wenn man bereit ist, bestimmte Tänze zu tanzen
oder Lieder zu singen. Was jetzt passiert, ist ziemlich albern, bestätigt
aber unsere tiefsten Vorurteile gegenüber den Führungskräften
der Finanzwelt: Erledigt der eine seine Geschäften im spirituellen Rückgriff
auf uralte indianische Weisheiten, trollt sich der andere mit seiner Tochter
durch eine Fantasiewelt, um an einigermaßen verlässliche Geschäftsprognosen
kommen. Olivias Gefährtinnen verstummen aber abrupt, als unübersehbar
wird, dass der Vater sich absolut eigennützig auf ihr Spiel eingelassen
hat. Die Botschaft dieses mit allerlei Songs der Beatles unterlegten moralischen
Lehrstück lautet nämlich ganz simpel: „All you need is love“. Und
„love“, daran lässt der Regisseur Karey Kirkpatrick („Ab durch die Hecke“) keinen Zweifel,
bedeutet in diesem Fall eine unbedingte Balance zwischen Vaterrolle und Beruf.
Als Evan schließlich mühsam gelernt hat, auch einmal „Nein!“ zu sagen,
wenn die Pflicht ruft, obwohl die Tochter wartet, respektiert diese Geste auch
der große Boss im Hintergrund (Martin Sheen), der seine eigene Tochter
nämlich schon sehr lange nicht mehr gesehen hat. So scheint „Zuhause ist
der Zauber los“ ein Reflex Hollywoods auf die Verwerfungen eines radikalen Kapitalismus,
auf den Tunnelblick der Profitmaximierung und die daraus erwachsene Entfremdung.
Solch sozialromantische, auf verbindliche Werte pochende Abmahnungen im Vertrauen
auf die Selbstreinigungskräfte des Systems hat einst Frank Capra gedreht, allerdings
nicht mit Eddie Murphy, sondern mit James Stewart in der Hauptrolle. Man kann
das als Hinweis deuten, dass die Krise des Kapitalismus sich zuspitzt.
Ulrich
Kriest
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der: Stuttgarter Zeitung
Zuhause
ist der Zauber los
USA
2008 - Originaltitel: Imagine That - Regie: Karey Kirkpatrick - Darsteller:
Eddie Murphy, Yara Shahidi, Thomas Haden Church, Nicole Ari Parker, DeRay Davis,
Ronny Cox, Martin Sheen - FSK: ohne Altersbeschränkung - Länge: 107
min. - Start: 29.10.2009
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