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Zu
scharf, um wahr zu sein
Man
kennt das ja von sich selbst: Man sieht gut aus, ist leidlich intelligent und
sportlich – und muss sich dann doch wundern, woher die unattraktive Brillenschlange
bloß den Mut nimmt, einen auf dem Parkplatz des Supermarktes anzusprechen.
Einfach so, als wüsste sie nicht selbst, dass hier eine Grenze des guten
Geschmacks überschritten ist. „Zu scharf, um wahr zu sein“ ist eine Komödie
über die Klassengesellschaft, an der der Habitus-Forscher Pierre Bourdieu
vielleicht seine Freude gehabt hätte, denn hier sind Klassenbewusstsein
und Klassengrenzen derart inkorporiert, dass es schon an ein Wunder grenzt,
dass es diesen Film überhaupt gibt. „She’s Out of My League“, lautet denn
auch der Originaltitel.
Darin
gibt es Kirk, der so nett und unbedarft ist, dass man gar nicht so recht versteht,
woraus der Selbsthass dieser Figur sich speist. Kirk hat Liebeskummer, seine
Freundin hat ihm den Laufpass gegeben, aber nicht seiner degenerierten White-Trash-Familie,
woraus der Film reichlich unappetitliches Kapital schlägt. Andererseits
gibt es Molly, die aus irgendwelchen Gründen, die nichts mit ihrem Jurastudium
zu tun haben müssen, zur High Society von Pittsburgh zählt. Unter
normalen Umständen würden sich Kirk und Molly niemals begegnen, sie
wären für einander unsichtbar. Doch als Molly eines Tages ihr i-Phone
vermisst, meldet sich Kirk, der beim Sicherheitsdienst des lokalen Flughafens
arbeitet. Als Finderlohn bekommt er eine Einladung in die VIP-Lounge der Pittsburgh
Penguins – und damit wäre die Geschichte normalerweise beendet.
Doch
auch Molly, von der immer wieder behauptet wird, dass sie „eine glatte Zehn“
sei, wurde gerade erst das Herz gebrochen, und zwar von einem zutiefst virilen
Kampfpiloten, von dem mancher in dieser Ranking-Hölle gleichfalls behaupten
würde, er sei „eine glatte Zehn“. Während Kirk, von dem sogar seine
besten Freunde sagen, dass er bestenfalls das Zeug zu „einer knappen Fünf“
habe, schon das Glück kaum fassen kann, dass jemand wie Molly ihn überhaupt
bemerkt, entwickelt Molly einen Plan: Ein unscheinbares Würstchen wie Kirk
taugt als Heilmittel fürs verwundete Ego, weil es sie nicht nur nicht verletzen
will, sondern es auch gar nicht kann. So weit, so altbekannt.
Natürlich
geht es letztlich darum, dass innere Werte wichtiger sind als der äußere
Schein. Und darum, ein anständiges Selbstbewusstsein zu entwickeln. Und
drittens sind die meisten Menschen – von Kirks Proll-Familie einmal abgesehen
– nicht so einfältig, wie sie zunächst scheinen. Jim Field Smiths
romantische Komödie geht ihren erwartbaren Gang, allerdings aufgefrischt
durch jene Art derberen Humors, wie man ihn seit einigen Jahren aus der Schule
der Farrellys und Judd Apatows kennt, weshalb hier auch von vorzeitiger Ejakulation,
Intimrasur und Oralverkehr die Rede sein muss. Aber letztlich passen Kirk und
Molly, nachdem sie sich von der Ideologie der Klassengesellschaft und ihren
monströsen Familien emanzipiert haben, zueinander wie Topf und Deckel.
Was natürlich auch damit zu tun hat, dass beide Figuren als skizzenhafte
Humorvorlagen entwickelt wurden, die bestenfalls fürs unverbindliche Entertainment
taugen
Ulrich
Kriest
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: film-Dienst
Zu
scharf, um wahr zu sein
USA
2009 - Originaltitel: She's Out of My League - Regie: Jim Field Smith - Darsteller:
Jay Baruchel, Alice Eve, T.J. Miller, Mike Vogel, Nate Torrence, Krysten Ritter,
Geoff Stults, Lindsay Sloane, Debra Jo Rupp - FSK: ab 12 - Länge: 104 min.
- Start: 29.4.2010
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